So wie der Körper sehen und hören kann, ist er auch in der Lage, Bewegungen wahrzunehmen. Bewegungen werden von zwei winzigen Gleichgewichtsorganen gemessen, die sich in beiden Ohren in der Nähe des Hörorgans (der Cochlea) befinden und mit diesem Verbunde sind. Die Gleichgewichtsorgane sind in der Lage, Kopfbewegungen und die Auswirkungen der Schwerkraft wahrzunehmen. Sie versorgen den Körper mit Informationen die notwendig sind, um zusammen mit dem Seh- und Hörsinn während der Bewegungen des Körpers im Gleichgewicht zu bleiben. Die Gleichgewichtsorgane sind auch in der Lage, die Augen bei Kopfbewegungen zu kontrollieren. Dies verhindert beispielsweise verschwommenes Sehen bei schnellen Kopfbewegungen oder beim Gehen.
Die Funktion der Gleichgewichtsorgane kann sich deutlich verschlechtern; sie kann sogar komplett ausfallen. Dafür kann es mehrere Gründe geben: Eine erbliche / genetische Erkrankung, eine Störung des Innenohres wie Morbus Ménière oder die Anwendung bestimmter Medikamente. In bis zur Hälfte der Fälle wissen wir jedoch nicht, warum die Gleichgewichtsorgane nicht mehr richtig funktionieren. Die Patienten bemerken die Auswirkungen dieses Verlustes entweder plötzlich oder allmählich. Symptome können auch Schwindelanfälle sein, aber das ist nicht immer der Fall. Es ist möglich, dass nur eines der beiden Gleichgewichtsorgane aufhört zu arbeiten. Dieser einseitige Verlust des Gleichgewichts wird als „einseitige Vestibulopathie“ bezeichnet. Wenn die Funktion der Gleichgewichtsorgane auf beiden Seiten ausfällt, spricht man von „bilateraler Vestibulopathie (Abkürzung: BV).
Wenn eines oder beide Gleichgewichtsorgane nicht mehr funktionieren, können eines oder mehrere einer Vielzahl von Symptomen bei Ihnen auftreten, wie zum Beispiel verschwommenes Sehen bei Körperbewegungen und das Gefühl, dass der Horizont nicht mehr stabil ist. Dies wird Oszillopsie genannt. Es ist auch möglich, dass Sie Schwierigkeiten haben, das Gleichgewicht zu halten – dies kann von einem vollständigen Verlust des Gleichgewichts bis hin zu einem Gefühl ähnlich dem des Betrunkenseins variieren.
Der Körper versucht, den Verlust des Gleichgewichts auszugleichen, indem er sich, falls nur ein Gleichgewichtsorgan nicht richtig funktioniert, mehr auf das zweite Gleichgewichtsorgan verlässt und andere Sinne wie Sehen und Tastsinn („Propriozeption“) verstärkt mit verwendet. Das erfordert viel Anstrengung, die von den Betroffenen nicht immer wahrgenommen wird. Daher können Müdigkeit und Gedächtnisprobleme sowie Konzentrationsschwierigkeiten und eine unangenehme Empfindlichkeit gegenüber bestimmten Reizen auftreten. Sich schnell bewegende oder sich wiederholende visuelle Umgebungen werden dann als stark störend empfunden. Ein defektes Gleichgewichtsorgan kann auch psychische Probleme wie Depressionen verursachen. Über 75% der Patienten, die erhebliche Probleme mit beiden Gleichgewichtsorganen haben, sind arbeitsunfähig.
Wenn ein Gleichgewichtsorgan versagt, erholt es sich fast nie von selbst. Derzeit gibt es keine Behandlungsmöglichkeiten, um die Funktion eines ausgefallenen Gleichgewichtsorgans wiederherzustellen. Körperliche Aktivität und Physiotherapie können die Symptome reduzieren, aber spezifische körperliche Probleme und Beschwerden bleiben bestehen, insbesondere wenn beide Gleichgewichtsorgane versagen. Daher arbeiten derzeit verschiedene Forschungsgruppen weltweit an Behandlungsmöglichkeiten. Eine dieser Optionen ist das künstliche Gleichgewichtsorgan, das als „vestibuläres Implantat“ bezeichnet wird.